Ameisenhaltung in den 1960er Jahren

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#1 Ameisenhaltung in den 1960er Jahren

Beitrag von Gast » 1. Februar 2014, 18:17

Ich habe mal in alten Negativen gekramt, aus dem Beginn meiner Ameisenhaltung (1963) im Würzburger Institut für Angewandte Zoologie, dem ehemaligen Gößwald-Institut. Manches mag Euch vertraut vorkommen, was damals seinen Anfang nahm. Manches regt auch vielleicht dazu an, selbst Ideen zu entwickeln, wie man die Haltung verbessern könnte. – Es ging hier hauptsächlich um de Haltung von Völkern der Gattungen Temnothorax und Leptothorax sowie bald auch ihrer Sozialparasiten, Myrmoxenus ravouxi (ehemals Epimyrma goesswaldi) bzw. Harpagoxenus sublaevis.

Für Rückfragen und Kommentare ist ein Diskussionsthread eingerichtet: http://www.ameisenforum.de/technik-basteln/51388-ameisenhaltung-1960er-jahre-diskussionsthread.html#post359327

Standard im Institut war 1964 noch die „Butterschalenmethode“. Kühlschränke gab es gegen Ende der 1950er Jahre bereits, aber längst nicht in jedem Haushalt. Man hatte eine Speisekammer in einer kühlen Ecke der Wohnung, oder man trug alles Verderbliche in den Keller. Die Butter kam in solche Glasschalen.

Für die Ameisenhaltung abgewandelt wurden sie mit einem Bodenbelag von ca. 5 – 10 mm Gips, die Wand war mit Paraffinöl dünn bestrichen, und um solche Schalen miteinander verbinden zu können, waren sie mit zwei gegenüberliegenden Bohrungen versehen, durch die man passende Plastikschläuche führen konnte. Deckel stammten von passenden Einmachgläsern („Weckgläser“). Sie lagen lose auf, so dass durch den dünnen Spalt etwas Luftaustausch möglich war. Der Gipsboden wurde jeweils beim Austauschen des Futters angefeuchtet (Bild 1).

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Bild 1: Butterschalen-"Formikar". Durchmesser oben ca. 11 cm.


Die Ameisen hat man hinein geschüttet (Bild 2) Aufgrund ihrer Thigmotaxis haben sie sich an die Wand gekauert, mit möglichst engem Kontakt zu Boden, Wand und Nestgenossinnen. Futter (Honig, Mehlwurmstückchen) und Wasser gab es in „Uhrgläschen“, das Wasser mit etwas Zellstoff abgesichert, so dass keine Ameisen ertrinken konnten (Bild 1 links).

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Bild 2: Leptothorax acervorum, frisch ins "Formikar" geschüttet.


Die zahlreichen Butterschalen waren mit einer Packpapier-Auflage abgedunkelt, oder man stellte sie in einen dunklen Kasten, wo sie nur beim Füttern dem Licht ausgesetzt waren.

Eine kleine Verbesserung brachte ein etwas größeres umgedrehtes Uhrglas (mit drei Stecknadeln fixiert), unter das die Tiere durch einen in den Gips gekratzten Tunnel kriechen konnten. Dank der Thigmotaxis wurde diese Unterkunft rasch angenommen (Bild 3).

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Bild 3: Butterschale mit "Uhrglas-Nest", unter dem sich das Volk eingenistet hat.


Bald erkannte ich, dass für die Tiere ein naturnaher täglicher Temperaturwechsel besser war als die Aufbewahrung im geheizten Labor. Das Institut hatte eine große Dachterrasse. Ein „Inkubator“ wurde gebastelt, aus einer Kiste, die mit Dachpappe einigermaßen wetterfest gemacht wurde. Ein „Kamin“ oben, mit vergitterter Öffnung nach Osten, weil der Regen meist mit Westwind kam, diente der Abfuhr von zu warmer Luft im Sommer; diagonal gegenüber war im Boden ein vergitterter Lufteinlass. Der Kistendeckel wurde zu einer Klappe, die man nach unten öffnen konnte: Ein Tischchen, auf dem man bequem den Futterwechsel usw. vornehmen konnte. Innen lag ein Minimum-Maximum-Thermometer, das täglich abgelesen wurde (Bild 4).

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Bild 4: Der "Inkubator" auf der Instituts-Terrasse.


Bild 5 zeigt die täglichen Temperaturschwankungen über ein volles Jahr, von März 1964 bis März 1965 in dem Inkubator. (Da hieß es natürlich täglich ins Institut fahren, auch sonn- und feiertags; Urlaub war nicht).
Darunter ist die Brutentwicklung in Völkern von Leptothorax acervorum eingetragen. Zum Vergleich wurde in jeweils wenigen Tagen Abstand die Brutentwicklung in Freilandvölkern kontrolliert. Es zeigte sich, dass die einzelnen Stadien annähernd gleichzeitig wie im Inkubator auftraten (Bild 5)

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Bild 5 Tagestemperatur-Spannen über ein Jahr.
a-Anfütterung der geschrumpften Winterlarven; b-erste Vorpuppen; c- erste Puppen; d- Geschlechtstiere schlüpfen; e- Larven schrumpfen. Und dann tut sich nichts mehr für die nächsten sechs Monate! Dreiecke: im Inkubator; Rauten: im Freiland). Die Methode funktionierte also.
Temperaturamplitude übers Jahr: 58 °C (minus 10 bis plus 48 °C); maximale Tagesamplitude: 33 °C (plus 15 bis plus 48 °C).

Später hatte ich dann einen kleinen Kühlschrank zur Verfügung. So konnte ich täglich morgens die Ameisen ins warme Labor holen und abends wieder kühl stellen. Auch das brachte das gewünschte Ergebnis, zumindest was die ungestörte Brutentwicklung betrifft: Die Produktion von Geschlechtstieren und Arbeiterinnen war auch zahlenmäßig vergleichbar mit der in ähnlich großen Völkern im Freiland.

Doch es verschob sich der Jahreszyklus! - Dazu später mehr.

MfG,
Merkur



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#2 AW: Ameisenhaltung in den 1960er Jahren

Beitrag von Gast » 3. Februar 2014, 17:27

Nachdem die Einblicke in unsere damalige Ameisenforschung auf ein sehr positives Echo gestoßen sind, will ich gerne noch etwas mehr darüber berichten. :)

Zunächst ist zu sagen, dass die oben beschriebenen „Butterschalen-Formikarien“ natürlich auch für andere Ameisenarten benutzt wurden. Sogar kleine Versuchsgruppen von Waldameisen (Formica s.str.) konnte man darin kurzfristig unterbringen. Für größere Völker von Waldameisen gab es Vollglasaquarien unterschiedlicher Größe, die ebenfalls über Bohrungen und Schläuche untereinander bzw. mit Futterarenen verbunden werden konnten.

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Bild 6: Formikarium für Waldameisen
(Aus: Kirchner, W., Buschinger, A. (1971): Waldameisen im Unterricht. Praxis der Naturwissenschaften 20, 101-110.)


Futter wurde darin auf Tischchen geboten, so dass es nicht sofort mit Nestmaterial zugedeckt werden konnte. Zur Wasserversorgung habe ich selbst bereits kleine Glastuben in die Butterschalen eingelegt (Tablettengläser in der Form von Reagenzgläsern, aber nur 4-5 cm lang und ca. 8 mm dick; vorne mit Watte verschlossen). Für die großen „Aquarien“ wurden schlichte Tränken gebaut, z. B. aus Gläschen für Babynahrung: Durch ein Loch im Deckel wurde ein saugfähiger Wollfaden geführt und außen verknotet. Das Wasser im Gläschen hielt den Knoten immer nass, und die Ameisen fanden den Weg dorthin zum Trinken.

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Bild 7: Diese Tränke läuft nicht aus!


Diese Form der Tränke, die man auch mit kleinerem Vorratsbehälter für die Fütterung mit Honigwasser nutzen kann, vermeidet einen ärgerlichen Nachteil, der sich bei Vogeltränken und ähnlichen Konstruktionen mit unten gelegenem Auslass stets bemerkbar macht: Bei der Entnahme von Flüssigkeit steigt Luft in den Behälter auf. Bereits bei geringen Temperaturschwankungen kontrahiert sich die Luft, so dass weitere Luft angesaugt wird, bzw. dehnt sich die Luft aus und drückt unten Flüssigkeit heraus. Hinzu kommt, dass Honigwasser bereits nach kurzer Zeit etwas in Gärung übergeht, wobei das entstehende CO2 ebenfalls Honigwasser durch die Entnahmeöffnung ausfließen lässt.

In der genannten Arbeit wird auch bereits (1971!) zu Schulversuchen mit Ameisen angeregt (Achtung: Heute wäre dafür eine Ausnahmegenehmigung der Naturschutzbehörde erforderlich! Oder man macht es mit Formica sanguinea bzw. Formica fusca und anderen nicht geschützten Arten).

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Bild 8: Versuchsarena


Hierzu fanden Blechwannen von 50 x 50 cm Größe mit 10 cm hohem Rand Verwendung. Paraffinöl machte auch hier die lackierte Innenwand unübersteigbar.
In solchen Wannen, mit 1 cm Gipsboden, habe ich meine ersten Sklavenraubzugsversuche mit Harpagoxenus sublaevis und Leptothorax acervorum durchgeführt. – Auch Plastikwannen für Entwickler und Fixierbad aus dem Fotolabor konnte man dazu einsetzen; man nahm halt, was verfügbar war: Ameisenläden mit Luxus-Zubehör gab’s noch lange nicht! ;)

[font=Times New Roman]Und wer sich über die schlichten Zeichnungen wundert: Auch der Computer mit seinen schicken Grafikprogrammen lag noch in ferner Zukunft! Alles musste mühsam mit Tusche am Reißbrett ausgearbeitet werden. Texte hat man erst mal handschriftlich entworfen, dann nach vielen Korrekturen in die mechanische Schreibmaschine gehackt. Wo Reinschrift erwartet wurde, mit 3-4 Durchschlägen, hat man eine Schreibkraft engagiert.[/font] [font=Times New Roman]Xerokopiergeräte gab es erst so ab 1972. [/font]

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#3 AW: Ameisenhaltung in den 1960er Jahren

Beitrag von Gast » 4. Februar 2014, 16:58

Es geht weiter… Leider ein bisschen ohne Gliederung, weil immer wieder neues altes Material auftaucht. ;)

Das Sammeln von Ameisen erfolgte mittels Exhaustor, aber die beiden Schläuche waren gemeinsam durch den Stopfen auf der Sammeltube geführt: So kann man den Inhalt im Röhrchen herunter klopfen und den Exhaustor-Stopfen rasch durch einen Verschlusstopfen ersetzen. Schon ist der Exhaustor wieder einsatzbereit!
Anleitungen sind hier.
(Bei den üblichen Typen muss man den Inhalt des Exhaustors umfüllen, wobei oft einzelne Tiere oder Brutstadien zurück bleiben und evtl. dem nächsten Volk beigemischt werden. – So mancher vermeintliche „Sozialparasit“ wurde unabsichtlich auf diese Weise produziert! ;))
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Bild 9 zeigt Sammeltuben, wie sie damals verwendet wurden. Jedes Röhrchen enthält ein komplettes Volk (was natürlich nur bei Arten mit kleinen Völkern und gut zugänglichen Nestern möglich ist, etwa Temnothorax sp. aus einer Eichel). Verschlossen waren sie mit Korkstopfen, die genügend porös waren um Luft hindurch zu lassen. Doch auch Kunststoff-Stopfen waren bereits „im Kommen“. Mit einer heißen Nadel konnte man ein paar Luftlöchlein hinein schmelzen.
[size=75]Korkstopfen haben die Ameisen (besonders Leptothorax- und Temnothorax-Arten) ziemlich rasch durchgenagt, innerhalb einiger Wochen sogar auch während der Ãœberwinterung bei 0 – 10 °C! Manchmal konnte sich ein wichtiges Tier auch in einer Spalte im Kork verkriechen. :mad:
[/SIZE]
Ein Fortschritt waren „Tablettenröhrchen“ mit flachem Boden: Man konnte die Sammeltuben aufrecht hinstellen. Die bewährte Größe, 6 cm lang, Durchmesser 20/18 mm benutze ich noch heute.
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Bild 10: Oh je! Alle tot? –Nein! So sieht ein Völkchen von Leptothorax acervorum während der Winterruhe aus, wenn die Temperatur nahe Null oder sogar 2-3 °C darunter ist. Die hier zwei Königinnen liegen wie tot da, einzelne Arbeiterinnen bewegen sich, eine steht sogar aufrecht. Das Völkchen wurde in einer der „Butterschalen“ auf Gipsboden überwintert (s. Bild 1). Die Larven sind stark „geschrumpft“, mit Seitenfalten, so wie das bei einer richtigen Ãœberwinterung sein muss, und wie man sie auch im Freiland im Winter antrifft.
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Bild 11: Die Brut von Leptothorax acervorum im Vergleich von Sommer und Winter. Die obere Reihe zeigt Eier, Larven der Stadien 1 bis 3 (die rasch durchlaufen werden), sowie vier Größen des Stadiums vier: es ist das Hauptwachstumsstadium, das anschwillt, sich dabei aber nicht häutet! Kenntlich ist es an den dunklen, gut sklerotisierten Mandibeln.

Im Übergang zur Vorpuppe (VP) wird der Darm entleert, die Larve wird schlanker und ist nicht mehr so durchsichtig. Es folgt die Häutung zur Puppe (hier einer Arbeiterin), die sich dann nach dem Ausfärben nochmals zur Imago häutet. Bei den jüngeren Larven sind die Mandibeln kleiner und sehr viel heller; sie lassen sich nur mikroskopisch darstellen.

Im Herbst schrumpfen die Larven der Stadien 3 und vor allem 4; sie sehen dann so aus, wie auf dem Bild in der unteren Reihe. Nach Anfütterung im Frühjahr entstehen aus den größeren Larven hauptsächlich Geschlechtstiere, aus den kleineren vor allem Arbeiterinnen. Nimmt man die großen Larven im Winter weg, können sich bei guter Fütterung auch aus kleineren L4 noch Geschlechtstiere entwickeln.

Ergänzend sei hier auf eine Darstellung im Ameisenwiki verwiesen.

Bild

Bild 12: Der Kopf mit Mundwerkzeugen einer L4-Larve von Leptothorax acervorum. (Diese REM-Darstellung ist natürlich sehr viel später entstanden!)
Lbr: Labrum = Oberlippe (ist kein Abkömmling einer Extremität); Md: Mandibel = Oberkiefer (erstes Paar der Mundwerkzeuge, Extremitäten des 4. Kopfsegments; man beachte die Zähnchen, womit feste Nahrung zerkleinert werden kann); Mx: Maxille = Unterkiefer (zweites Paar der Mundwerkzeuge, Extremitäten des 5. Kopfsegments); Lbi: Labium = Unterlippe (drittes Paar der Mundwerkzeuge, Extremitäten des 6. Kopfsegments, an der Basis miteinander verwachsen und so die Unterlippe bildend)
Zwischen den Spitzen der Mandibelzähne und der Maxillen befindet sich die Mundöffnung.

> Diskussionsthreadhttp://www.ameisenforum.de/technik-basteln/51388-ameisenhaltung-1960er-jahre-diskussionsthread.html#post359327
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#4 AW: Ameisenhaltung in den 1960er Jahren

Beitrag von Gast » 5. Februar 2014, 17:47

Temperaturen, deren Messung, und die Versuche, für die Ameisen brauchbare Haltungs-Bedingungen zu schaffen.


In der Folge werde ich die Abbildungen, so wie bisher, einfach durchnummerieren. Damit kann ich auf Bilder aus früheren Beiträgen verweisen.
Hier soll nun etwas auf das Thema „Temperatur“ eingegangen werden. Es ist ja eines der Kernthemen in der Ameisenhaltung, und leider wird es oft sträflich vernachlässigt – was aber bei näherer Betrachtung auch wieder verständlich wird!

Ich beziehe mich immer wieder auf Leptothorax acervorum und ihre engere Verwandtschaft: Mit dieser Art habe ich die frühesten und längsten Erfahrungen gemacht; die Ergebnisse wurden auch weitgehend publiziert.

In den Haltungs-Empfehlungen eines Ameisenhändlers ist für L. acervorum zu lesen:
Temperatur: Arena: 18 - 28°C, Nestbereich: 21- 24°C
Winterruhe: ja, von Ende Oktober bis Ende März bei 5 - 8°C

Diese sehr knappen Angaben sind in jeder Hinsicht unzureichend! – Wie sind sie aufzufassen?
- Soll man das Nest außerhalb der Winterruhe tags und nachts bei konstant 21, oder 22, oder… 24°C halten?
- Oder heißt es, dass Temperaturschwankungen in dem Bereich 21-24°C tolerierbar sind, nicht darunter und nicht darüber?
- Die gleichen Fragen stellen sich für die Überwinterung.

Ergänzung: Bei der geringen Größe der für Leptothorax geeigneten Nester dürfte es auch schwierig sein, für Nestbereich und Arena separat die Temperaturen einzustellen. Man kann sich die Mühe sparen!

Das Gleiche gilt für die Feuchtigkeit. Ein Nestchen wird dieselbe Feuchtigkeit annehmen, die in dem Formikarium herrscht. Ein feucht zu haltender Gipsboden ist ideal; dazu muss eine kleine Tränke bereit gestellt werden.

Dass L. acervorum auch in den Nestern sowohl im Sommer als auch im Winter starken täglichen Temperaturschwankungen unterworfen sein kann, ist bereits im Startpost anhand von Bild 5 deutlich geworden. (Der Einfachheit halber füge ich es hier nochmals ein).

Bild

Ebenso belegt dieses Bild einen sehr ausgeprägten Jahreszyklus, mit Spitzen bis 48°C im Nest, im Sommer, und Minima von minus 10°C im Winter (wobei in Würzburg auch in manchen Jahren minus 20°C erreicht werden können). Nach einer Nacht mit strengem Frost können die Tiere dann über Mittag auf plus 8 oder 10°C aufgeheizt werden, und das über mehrere Tage hintereinander.

Jetzt werden wir genauer:
Die dargestellten Temperaturspannen besagen ja noch nichts über die tägliche Einwirkungsdauer der hohen oder niedrigen Temperaturen!
Es gibt Temperaturschreiber, die über einen Tag, oder sogar über eine ganze Woche, den Temperaturverlauf etwa in meinem „Inkubator“, oder in einem Brutschrank mit Wechseltemperatur-Steuerung aufzeichnen. In den 60er und 70er Jahren waren das noch mechanische Apparate, deren Uhrwerk regelmäßig aufgezogen wurde, wobei man auch das spezielle Papier jeweils wechseln musste. Die Schreibfeder war über ein Hebelwerk mit einem Bimetall verbunden, dessen temperaturabhängige Biegung registriert wurde. – Später gab es auch elektronische Messgeräte.

Es macht sicher einen Unterschied, ob die Kolonie mal gerade durch Sonneneinstrahlung für eine Stunde auf 30°C aufgeheizt wird und den Rest des Tages einer Lufttemperatur von 12°C ausgesetzt ist, gegenüber einem Sommertag, an dem es morgens um 5:00 von 12°C bis mittags allmählich auf 30°C geht, und ab 14:00 bis zum späten Abend wieder auf die 12°C absinkt: Im zweiten Fall genießt die Kolonie sehr viel mehr Wärme als im ersten!

Ein weiterer Gesichtspunkt ist die jeweilige Dauer von Phasen mit hohen, niedrigen und sehr niedrigen Temperaturen über das Jahr hinweg.
Sehen wir uns das Bild 5 daraufhin an, so fällt auf, dass insbesondere im Herbst und Winter über Wochen und Monate die Temperatur fast nie die 10°C übersteigt.
Gehen wir jetzt mal davon aus, dass sich im Stoffwechsel der Tiere unterhalb 0°C praktisch nichts tut, und dass bis 10°C (willkürlich angesetzt; das kann je nach Art auch 1-2° höher oder niedriger liegen) nicht viel geschieht: Keine Futterversorgung der Larven, kein Wachstum, keine Verpuppung usw. Es wird nur etwas Energie verbraucht. Wirklich „lebendig“ werden die Ameisen bei über 10-15°C, und hoch aktiv bei über 20-30°C!
Mir fällt der Vergleich mit einem Motor ein: Unter 0° = abgestellt; bis 10°C = Leerlauf; darüber: mittlere bis hohe Leistung.
Das ist etwas ganz Anderes als eine über Monate konstant gehaltene Temperatur von 21 oder 23°C.

Die Messung der tatsächlich auf die Tiere einwirkenden Temperaturen war fast unmöglich, hätte eine nicht zu bewältigende Flut von Daten geliefert, wäre aber auch von Jahr zu Jahr und an verschiedenen Standorten höchst unterschiedlich ausgefallen – Leptothorax acervorum lebt an der Ostseeküste auf Meeresniveau und kommt in den Alpen am Gornergrat auf über 3.000 Meter vor (mit Blick nach unten auf den Gornergletscher!).

Letztlich variiert auch noch die Dauer der täglichen Warmphase im Jahreszyklus: Im Sommer haben die Tiere einen „Wärmelangtag“, im Winter „Wärmekurztag(analog zu der variablen Tageslichtlänge, auf die ja viele Pflanzen sehr sensibel reagieren).

Ich habe mit den vorhandenen Mitteln eine praktikable Lösung erarbeitet (Bild 13).
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Vorhanden war das Labor mit einer zwischen 20 und 24°C variierenden Temperatur; ein Kühlschrank mit 10°C, der auch auf 0°C eingestellt werden konnte, und ein Thermostat, den man auf konstant z. B. 35°C einstellen konnte.
Unter Weglassung der Phasen um 10°C, in denen ohnehin nicht viel passiert, wurde der im Bild gezeigte verkürzte Jahreszyklus generiert:
Oben sind die Temperatur-Tagesgänge gezeigt, mittels Temperaturschreiber erfasst, darunter die Temperaturspannen in den „künstlichen Jahreszeiten“. Das Diagramm beginnt links
mit ein paar Sommertagen (im realen Juli 1971): Der Thermostat wurde mittels Schaltuhr nachts für 8 Stunden abgeschaltet und ging dabei von 35°C herunter auf die Labortemperatur von ca. 20°C. Es folgten 34 Tage bei Labortemperaturen (Spätsommer/Herbst), dann zur Einwinterung 12 Tage bei 20/10°C im Kühlschrank, der tagsüber für 8 Stunden abgeschaltet wurde und dabei Labortemperatur erreichte; danach wurde der Kühlschrank auf 0°C eingestellt und nur tagsüber für 8 Stunden abgeschaltet (Temperaturwechsel 20/0°C, - nicht ideal, aber es hat funktioniert!). Anschließend geht es über 7 Tage „Frühjahr“ bei 20/10°C und 7 Tage bei 20-24°C in die 32 Tage „Sommer“ mit 20/35°C.
Eingezeichnet sind zwei Daten, zu denen die erste Weibchenpuppe (P) bzw. die erste Jungkönigin (♀) in jenem künstlichen Sommer erschienen.
In 106 Tagen wurde ein ganzer Jahreszyklus durchlaufen!

Verschiedene Variationen wurden getestet, nachdem in späteren Jahren mehrere Brutschränke mit Wechseltemperatursteuerung zur Verfügung standen (dasselbe Gerät kann abwechselnd heizen und kühlen; auch konnten die Temperaturänderungen langsamer oder schneller eingestellt werden). Im Extrem gelang es, innerhalb eines natürlichen Jahres vier „künstliche Jahreszyklen“ ablaufen zu lassen. (In der Praxis blieben wir bei 2-3, was aber gerade für die Zucht solcher Ameisen schon einen erheblichen Vorteil mit sich bringt gegenüber der normal nur einen jährlichen Geschlechtstieraufzucht!)
Routinemäßig fanden die Überwinterungen dann bei 0/10°C (Kältelangtag 16 h) statt, die Frühjahrs- und Herbstzeiten bei 10/20°C (12/12 h) und die Sommer bei 15/25°C oder bei manchen Arten bei 20/32°C (Wärmelangtag 16 h). Die Überwinterung kann praktisch beliebig verlängert werden: Auch nach einem vollen Jahr bei 0/10°C entwickelten sich normale Anzahlen von Arbeiterinnen und Geschlechtstieren aus der so lange (und ohne Futter!) überwinterten Brut!

Aaaber: Das Ganze gilt nur für die Leptothorax-Arten einschließlich ihrer Sklavenhalter der Gattung Harpagoxenus! Bereits für Temnothorax und ihre Sozialparasiten war es nötig, andere Jahreszyklen zu erarbeiten. Bei ähnlichen Tagestemperaturverläufen benötigen sie eine sehr viel längere Überwinterungsdauer von etwa vier Monaten. Um diese bereits überlange Darstellung nicht noch mehr zu verlängern, will ich das nicht weiter ausführen. Hier hilft vor allem bei ausländischen Arten aus m. o. w. anderen Klimazonen leider nur geduldiges Ausprobieren.

Kurzfassung:
Geeignete Temperaturbedingungen für bestimmte Ameisenarten (bzw. Gattungen) lassen sich charakterisieren:

- nach den Temperaturamplituden,
- nach der täglichen Dauer der jeweiligen Temperaturen,
- nach der Dauer der kalten (Winter), warmen (Frühjahr, Herbst) und sehr warmen (Sommer) Bedingungen.
-
Da es im Laufe eines natürlichen Jahres kürzere oder längere Perioden mit kühlem Wetter (auch im Sommer!) gibt, in denen die Völker sich kaum weiter entwickeln, ist bei Weglassen dieser Perioden (= z. B. dauerhafte Haltung in Raumtemperatur) mit einer Verkürzung des Jahreszyklus zu rechnen.

Es sei noch auf den Begriff der „Wärmesumme“ verwiesen, hier ausführlich dargelegt.

Sehr vereinfacht gesagt führen Ameisen aus Bereichen mit Jahreszeitenklima nur in den warmen Zeiten ein aktives Leben, während sie in kühleren Perioden „im Leerlauf“ vegetieren und in der kalten Jahreszeit praktisch „abgeschaltet“ sind.

Verzeihung, dass dieser Beitrag so lang geworden ist! In Buchbeiträgen oder gar in Zeitschriften muss man solche Erörterungen immer sehr verkürzt darstellen, worunter m. E. Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit doch ziemlich leiden.

MfG,
Merkur



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#5 AW: Ameisenhaltung in den 1960er Jahren

Beitrag von Gast » 6. Februar 2014, 12:08

Das Echo auf diesen Thread ist ja geradezu überwältigend, vielen Dank!:)

Nun muss erwähnt werden, dass in den 60er Jahren natürlich auch andere Ameisenforscher, jüngere und ältere, am Institut für Angewandte Zoologie gewirkt haben.
Vielleicht am eindrucksvollsten war die große Atta-Kolonie. Chefsache! – Es war wohl die erste Blattschneiderkolonie in Deutschland, und vielleicht die größte, die hier je herangezogen worden ist.
Hier im AF wurde bereits einmal darüber berichtet. Aber da das Bild inzwischen verschwunden ist, zeige ich Euch mal einen neuen Scan (Bild 14). Den damaligen Text dazu kopiere ich gleich mit ein. Der Bericht stammt von 1970, als die Kolonie bereits mehrere Jahre alt war. Im Bild links von Prof.Gößwald sieht man, dass selbst frei im Raum mächtige Pilzkulturen entstanden; es war warm und feucht genug dafür! Nach links davor sind zwei Futtertische zu erkennen, darunter eine große Tränke in der Form eines Christbaumständers. Hier floss der Honig in den eingefrästen Kanälen!

Bild


"Beim Stöbern in meiner Sonderdruck-Sammlung stieß ich auf dieses bemerkenswerte Bild aus der Würzburger Tageszeitung "Die Mainpost", von 1970. Es zeigt Prof. Gößwald in einem der Räume, die von seiner Atta-Kolonie beansprucht wurden. Hinter der Wand links im Bild schloss der Raum an, in dem ich bis 1967 an meiner Doktorarbeit tätig war. In den letzten Monaten wurde ich von den Attas vertrieben, über einen dicken Schlauch durch die Wand gelangten sie zu den Terrarien, mit denen sich mein Labor dann allmählich füllte. Das Bild zeigt also nur einen kleinen Teil der Kolonie, die jenseits des Flurs (hinter Prof. Gößwald) auch noch 2 oder 3 Räume gegenüber bewohnte. Für das Sammeln bes. von Brombeerblättern im Winter war fast das gesamte Personal des Instituts bis hin zur Putzfrau eingesetzt. - Ich habe dazu schon früher mal was gepostet, aber mit dem Bild kann man's sich vielleicht besser vorstellen. Bitte zum Vergrößern anklicken, dann kann man auch den Text lesen und Details erkennen. Die Körnigkeit des Bildes kommt natürlich daher, dass ich es aus der alten Zeitung eingescannt habe."

Viel Spaß! :)

Merkur
Dateianhänge
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#6 AW: Ameisenhaltung in den 1960er Jahren

Beitrag von Gast » 9. Februar 2014, 17:29

- Teil 5 -

Zwar habe ich den Titel „Ameisenhaltung in den 1960er Jahren“ gewählt, aber da ich Ameisen eigentlich nur zu Forschungszwecken gehalten habe, wäre auch „Ameisenforschung…“ zutreffend gewesen. Das ließ sich nicht trennen; zumindest für meine Art der Forschung war eine zunehmende Verbesserung der Haltung unumgänglich!

Es war die Blütezeit der Verhaltensforschung (Ethologie), in der Karl von Frisch die Tanzsprache der Honigbienen entdeckte, und Konrad Lorenz die "Prägung" u.a. bei Graugänsen. 1973 haben beide zusammen mit Niko Tinbergen dafür den Nobelpreis erhalten. http://de.wikipedia.org/wiki/Karl_von_Frisch Nobelpreis 1973
*)Prägungserscheinungen gibt es auch bei Ameisen, s. Fußnote!

Klar, dass ich als junger Student bzw. zuvor schon als Schüler mit diesen Entwicklungen konfrontiert wurde, und dass bei meinen Verhaltens-Beobachtungen an Ameisen dann auch die Frage nach deren Orientierung aufkam.

Im September 1962 hatte ich bei Prof. Gößwald im Inst. f. Angew. Zoologie der Univ. Würzburg eine Staatsexamensarbeit (für das Lehramt an Gymnasien) begonnen. Das Thema erwies sich als nicht durchführbar, aber es ging um Temnothorax (damals noch Leptothorax), deren überschaubar kleine Völker es mir sofort angetan hatten: Ein ganzes Volk, mit Königin(-nen), auf einer Handfläche! Damit muss doch was anzufangen sein! – Es wurde schließlich eine Doktorarbeit daraus, der noch viele Jahre fruchtbarer Forschung über die Leptothorax-Verwandtschaft folgen sollten.

Bereits im April 1963, anlässlich einer Kongressexkursion nach Nürnberg, fand ich zufällig meine erste Kolonie des Sklavenhalters Harpagoxenus sublaevis, siehe hier.

Man wusste damals nicht viel mehr, als dass die Art mit ihren auffälligen Schneidkiefern stets mit einer Wirtsart im Nest gefunden wurde, und man nahm an, dass es sich um einen Sklavenhalter handeln müsse. Bekannt war, dass zwei Königinnenformen existierten, „normale“ Gynomorphe und der Arbeiterin sehr ähnliche Ergatomorphe (heute besser: Intermorphe). Ansätze von Sklavenraubzug-Verhalten und gewaltsamer Koloniegründung sind in Stitz (1939) erwähnt. – Das musste näher untersucht werden!

In eine der schon genannten, mit Gips ausgegossenen Blechwannen (50 x 50 cm) wurde je ein Volk von Harpagoxenus sublaevis und eines von Leptothorax acervorum eingesetzt(Bild 15).
Bild


Im gezeigten Beispiel befand sich das Harpagoxenus-Nest links unten, in einem mittels einer Umhüllung aus schwarzem Papier verdunkelten Röhrchen, das an die „Butterschale“ angeschlossen war. Diese diente zunächst als Futterarena. In eine weitere Öffnung der Butterschale wurde ein Stück Plastikschlauch gesteckt, mit einer Öffnung zu der großen Arena.
In die Ecke rechts vorn kam ein Völkchen Leptothorax acervorum in seinem Glasröhrchen-Nest. Direkt durch dessen Stopfen wurde der Zugang zur großen Arena geschaffen, die in der Folge für beide Völker als Futterarena diente (drei Schälchen mit Wasser, Honig und Mehlwurm sind in der Mitte zu sehen).
Über der Blechwanne war in 1 m Höhe eine 1,5 m lange 65W- Leuchtstoffröhre installiert. Lichteinfall vom Fenster her wurde u.a. durch die rechts oben sichtbare Pressspanplatte abgeschirmt.

Neben vielen Details zum Raubzugverhalten lieferten die Versuche Informationen darüber, wie sich Harpagoxenus sublaevis auf seinen Raubzügen orientiert: Duftspur, oder Orientierung nach Landmarken bzw. Sonnenstand?
Da die Tiere meist einzeln agieren und Rekrutierung von Nestgenossinnen mittels Tandemlauf erfolgt, war es bei kleinen Völkern möglich, wesentliche Teile des Raubzugsverhaltens bei einzelnen Individuen zu protokollieren.

Bild


Bild 16 zeigt das Ergebnis eines Versuchs, in dem gezeigt wird, dass die Tiere sich optisch orientieren. In mehreren Durchgängen, bei denen eventuelle Duftspuren weggewischt oder abgewaschen wurden, waren die Läufe der Ameisen zwischen Sklavenhalter- und Sklavennest nicht gestört.
So wurde die Wanne (Arena) um 90° entgegen dem Uhrzeigersinn gedreht (mittlere Skizze in Bild 16) (in dem hier protokollierten Versuch war die Anordnung von H = Harpagoxenus- und L = Leptothorax-Nest, anders als in Bild 15, auf maximale Distanz ausgelegt).

Das Ergebnis war eindrucksvoll: Eine mit dem Abtransport von eroberter Brut beschäftigte H.- Arbeiterin lief prompt weiterhin zur rechten unteren Ecke der Arena, wo sie vergebliche Suchschleifen lief und schließlich zurückkehrte. Weitere Drehung der Arena um 90° nach links führte dazu, dass die Sklavenhalterin das Leptothorax-Nest wieder fand (rechte Skizze in Bild 16).

Bemerkenswert ist, dass die (manuell außerhalb der Arena protokollierten) Läufe auf dem Hin- und Rückweg jeweils nicht gerade, sondern leicht gekrümmt sind. Der Grund ist derselbe wie bei Motten, die um eine Laterne kreisen: Natürliche helle Lichtquellen (Sonne, Mond) erscheinen beim Geradeauslauf in denselben Ommatidien, während eine nahe Lichtquelle scheinbar wandert.

Weiterhin scheint die Ameise recht genau zu „wissen“, in welcher Entfernung das Ziel zu suchen ist: In der mittleren Skizze beginnt sie die Suchschleifen im richtigen Abstand. Man hat dafür die Bezeichnung "podometrischer Sinn" geschaffen. Aber „Schritte zählen“ zur Entfernungsmessung wurde erst 2006 bei Cataglyphis nachgewiesen!
http://www.ameisenwiki.de/index.php/Cataglyphis_fortis

In den 1960er Jahren konnte man also auch mit sehr schlichten Experimenten bereits richtungweisende Antworten auf grundlegende Fragen finden!
Und auch meine damaligen Versuche können zu entsprechenden Beobachtungen bzw. Experimenten im häuslichen Bereich oder zu Schulversuchen anregen. :)

Oben in Bild 16 ist übrigens gezeigt, dass der Eingang eines Kunstnestchens (Typ Reagenzglas) möglichst eng gestaltet werden sollte, hier mit einem durch den Stopfen geführten Glasröhrchen. – Wer sich beklagt, dass seine Ameisen nach dem Öffnen des RG den Eingang zubauen, beobachtet nur die Reaktion der Ameisen auf einen ihrer „Ansicht“ nach zu weiten Nesteingang. ;)
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In den Bildern 17 – 19 werden noch ein paar weitere Szenen aus solchen Versuchen gezeigt. Manchmal entschließen sich die Sklavenhalter, ihr eigenes Volk in das eroberte Nest der Sklavenart zu verlegen. Dann „können“ die Sklavenhalter mehr als man denkt!
Bild 17: Eine Harpagoxenus-Arbeiterin vor dem Eingang zum Sklavenhalternest; Bild 18: Sie trägt eine Nestgenossin in der üblichen Myrmicinen-Haltung (über Kopf und Rücken) zum eroberten Nest der Sklavenart; Bild 19: Sogar ein Harpagoxenus-Männchen wird auf diese Weise abtransportiert.

MfG,
Merkur

> Diskussionsthread: http://www.ameisenforum.de/technik-basteln/51388-ameisenhaltung-1960er-jahre-diskussionsthread.html#post359327

*) Fußnote: Bei der ebenfalls Sklaven haltenden Chalepoxenus muellerianus wurde Prägung (imprinting) nachgewiesen. Jungköniginnen, die bei einer „falschen“Wirtsart aufgewachsen waren, bevorzugten für die Koloniegründung diese gegenüber ihrer natürlichen Wirtsart. Entsprechend verhielten sich Arbeiterinnen („scouts“) bei der Rekrutierung zu Wirtsnestern.

Schumann, R.D., Buschinger, A. 1994: Imprinting effects on host-selection behaviour
of colony-founding Chalepoxenus muellerianus (FINZI) females (Hymenoptera,
Formicidae). Ethology 97, 33-46.
Schumann, R., Buschinger, A. 1995: Imprinting effects on host-selection behaviour of
slave-raiding Chalepoxenus muellerianus (Finzi) workers (Hymenoptera: Formicidae).
Ethology 99, 243-251.



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#7 AW: Ameisenhaltung in den 1960er Jahren

Beitrag von Gast » 14. Februar 2014, 20:21

Teil 6: Kreis-Baumeister[size=84],[/SIZE] ein Versuch zum Bauverhalten von Temnothorax unifasciatus.


Ich habe um 1965 - 1970 verschiedene kleine Experimente angestellt um herauszufinden, zu welchen Bautätigkeiten Ameisen in der Lage sind.
Bereits hier wurde berichtet, dass man destruktive und konstruktive Elemente im Bauverhalten beobachten kann, die bei verschiedenen Arten und Gattungen ganz unterschiedlich kombiniert vorkommen.

Bild


In dem Versuch (Bild 20 ) wurde einer „reifen“ Kolonie von Temnothorax unifasciatus eine Plastik-Petrischale (9 cm Durchmesser) zur Verfügung gestellt. Sie war mit einem Gipsboden versehen, und im Deckel war ein Eingangsloch (im Bild rechts unten). Oben auf den Deckel kam eine kreisrunde Verdunkelung (aus der lichtdichten Verpackung von Fotopapier ausgeschnitten).
Das Ganze stand in einer Plastikwanne (20 x 20 cm mit 10 cm hohem, paraffiniertem Rand), die ebenfalls mit Gips ausgegossen war, und in der Futter und Wasser geboten wurden, sowie etwas Sand als „Baumaterial“.
Ich wollte sehen, ob sie sich im Dunklen unterhalb der Abdeckung ansammeln würden.
Unvorhergesehen war, dass sich durch Feuchtigkeitseinflüsse die Verdunkelung wölben würde, so dass darunter ein Hohlraum entstand.

Anstatt in die Petrischale zu ziehen bauten die Tiere oben unter der Abdeckung einen „Ringwall“ aus Sand und Abfällen. Beim vorsichtigen Abheben saß die Königin praktisch in der Mitte, mit Brut und den meisten Arbeiterinnen. Junge Geschlechtstiere (Weibchen) sowie Arbeiterinnen und Larven hatten sich auch unter der Abdeckung angesammelt, was bei vorsichtigem Umdrehen der Verdunkelung sichtbar wurde.

Temnothorax unifasciatus baut ihre Nester gerne in Steinspalten. Auch im Freiland wird oft um das eigentliche Nest ein Ringwall aus Detritus angelegt, wie man im Bild 21 erkennen kann. Hier wurde der deckende Stein entfernt. Bis die Kamera schussbereit war, waren allerdings viel Ameisen bereits entflohen.
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Man kann sich viele Varianten ausdenken, so dass auch solche Versuche sich für eigene kleine Experimente anbieten!



MfG,
Merkur



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#8 AW: Ameisenhaltung in den 1960er Jahren

Beitrag von Gast » 16. Februar 2014, 20:57

Teil 7: Hier gibt es zur Abwechslung mal einen reinen Literaturhinweis:

Selbstverständlich war ich nicht der Einzige, der in den 1960er Jahren sowie vor- und nachher Ameisen gehalten hat. Bei Recherchen zu diesem Thread stieß ich so auf eine Arbeit von 1969, „Über Zucht und Beobachtung von Ameisen“, von einem uns allen wohlbekannten User dieses Forums, nämlich von Attafive! Der Link findet sich im Ameisenwiki, und der Beitrag ist als PDF herunter zu laden:

http://www.landesmuseum.at/pdf_frei_remote/ZAOE_21_0081-0086.pdfhttp://www.landesmuseum.at/pdf_frei_remote/ZAOE_21_0081-0086.pdf
Erfahrungen und Beschreibungen verschiedener älterer Autoren werden hier zitiert und verarbeitet. Interessant finde ich besonders die Anleitung zum Bau eines stehenden Gipsnestes, mit eingearbeiteter Bewässerung und mit einem außen angeschlossenen „Futterrohr“, das man samt Futterresten bequem abziehen und austauschen kann! So etwas habe ich auch schon versucht. Es verhindert viel Ferkelei gegenüber dem Anbieten von Futter (bes. Honig) in der Arena. Natürlich lässt sich das auch mit diversen Arenen kombinieren.

Aber Ihr könnt ja selber lesen! ;)

MfG,
Merkur



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